Felix Braun an Arthur Schnitzler, 2. 10. 1924



*Wien, den 2. X. 1924

Sehr verehrter Herr Doktor!

Als ich heute vom Verlag Fiſcher Ihre neue Komödie erhielt und in dem Buch den Vermerk: »Im Auftrag des Verfaſſers« fand, war ich ſehr ſtolz und erfreut: ſeien Sie herzlich bedankt für dieſe Auszeichnung!
Ich habe auch das Werk ſofort zu leſen begonnen und jetzt – es ist ſpät nachts – den ergreifenden, tiefen dritten Akt beendigt.
Es iſt ein großes, reines Dichtwerk, eine Art dramatiſcher Roman, wenn ich mich ſo ausdrücken darf. Die Geſtalt Falkenirs ging mir am nächſten. In Aurelie iſt das Weibliche als das Allmögliche des Erlebens endgültig geſtaltet; Falkenirs Schuld geht daran hervor. Man lebt ſich ſehr in dieſe Welt ein und möchte ſich eine Fortſetzung wün*ſchen. Den erſten und den dritten Akt halte ich für die ſchönſten des Stückes; der zweite ſteht für mein Gefühl etwas zurück. Der dritte iſt myſtiſch, wächſt gegen den Schluß immer höher ins Bedeutungsvolle und gewinnt immer noch an Poeſie. Über Einzelheiten voll tiefen Einblicks möchte ich in dieſem kurzen Brief gar nicht erſt ſprechen. Die ſchöne Stelle über die Liebe als Kampf nur darf ich hervorheben. Das Buch hat mir viel gegeben: ich danke Ihnen von Herzen dafür!
Darf ich Sie nun bitten, verehrter Herr Doktor, als eine – freilich im Abſtand zu betrachtende – Gegengabe meine beiden letzterſchienenen Bücher von mir anzunehmen? Es würde mich ſehr freuen, wenn Ihnen das eine oder das andere ein weniges zu ſagen hätte.
In dieſer Zuverſicht bin ich, verehrter Herr Doktor, Ihr ergebener
Felix Braun.
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