Ich habe Ihr Schreiben mit größter Freude geleſen – und mit ebenſogroßem Bedauern; mit Freude darüber, daß Sie die Güte hatten, mich zu einem ſo ehrenvollen und mir in jedem Sinne erſtrebenswerten Amte in Vorſchlag zu bringen; mit Bedauern – denn es iſt mir nach dem derzeitigen Stande der öſterreichiſchen Geſetzgebung unmöglich, dem Rufe Folge zu leiſten. § 578 der Zivilprozeßordnung lautet nämlich: »Richterliche Beamte dürfen, ſolange ſie im richterlichen Dienste ſtehen, die Beſtellung als Schiedsrichter nicht annehmen«, und dieſes Verbot findet im § 595 Z. 3 ſeine Sanktion, wonach Schiedsſprüche wirkungs*los ſind, wenn hinſichtlich der Beſetzung des Schiedsgerichtes eine geſetzliche Beſtimmung verletzt wurde. Die Teilnahme eines noch aktiven Berufsrichters an dem fraglichen Schiedsgerichte iſt alſo leider unmöglich.
Sie können ſich leicht vorſtellen, mit welch bitteren Gefühlen ich dieſe unbarmherzigen Paragraphen zitiere.
Ich werde in den nächſten Tagen im Ausſchuß der
Richtervereinigung anregen, daß unter die anläßlich der Beſoldungsreform von den Richtern zu ſtellenden Forderungen auch die nach Streichung des § 578 ZPO – der jetzt vollkommen obſolet und der unnötige Ausdruck eines den Richtern gegenüber bei Schaffung des Geſetzes gehegten Mißtrauens iſt – aufgenommen werde, und ich bin ziemlich ſicher, mit meiner Anregung durchzudringen: ob aber die Streichung ſo bald erfolgen wird
, daß für den
Verein meine Perſon noch in Betracht kommen könnte, iſt doch ſehr zweifelhaft.
*Es bleibt mir demnach nichts übrig, als Ihnen, hochverehrter Herr Doktor, auf’s herzlichſte zu danken und Sie zu bitten, meinen Dank den andern Herren der
Genoſſenſchaft zugleich mit der Verſicherung zu übermitteln, daß
nur die erwähnte Geſetzesbeſtimmung mich abhält, das Anerbieten anzunehmen.
Mit den beſten Grüßen Ihr
ſehr ergebener
DrRAdam.