Sie haben mir vor mehr als einem Monat einen so lieben schönen Brief hierher geschrieben – ich dank Ihnen vielmals dafür. Über unsere Vorlesungen denk ich so wie Sie: sie sind mir auch als Feste ganz besonderer Art in der Erinnerung, und am stärksten und besondersten von allen die des »
Märchens«
in
Richards verhängter u. nach Naphtalin riechender Wohnung in der
Gärtnergasse – aber auch manche Andere, so ein Abend
wo Sie mir ganz allein – oder mir und
Schwarzkopf – in der Wohnung, die Sie vor dieser jetzigen zuletzt bewohnten – die Geschichte des
Freiherrn von Leisenbogh vorlasen, die ich so besonders liebe.
Wenn
ich das
Gesellschaftslustspiel fertig habe, an dem ich immer noch im Einzelnen herumbessere, so freue ich mich recht sehr, es Ihnen, sei es Ihnen allein oder mit noch ein paar Menschen, zu lesen. Vielleicht hätte ich die Gesellschaft, die es darstellt, die Oesterreichische aristokratische Gesellschaft, nie mit so viel Liebe in ihrem charme und ihrer Qualität darstellen können als in dem historischen Augenblick wo sie, die bis vor kurzem eine Gegebenheit, ja eine Macht war, sich leise u. geisterhaft ins Nichts auflöst, wie ein übriggebliebenes Nebelwölkchen am Morgen.
Inzwischen ist das Märchen von der
Frau ohne Schatten zu Ihnen gewandert, und, hoffentlich, seit langem in Ihren Händen.
Ich habe, in fast sieben Jahren, unsäglich viel Mühe an diese kleine Arbeit gewandt – hoffentlich merkt man ihr dies nicht an. Wenn sie Ihnen und
Olga ein bischen Vergnügen gemacht hat, so schreiben Sie mir ein paar Zeilen darüber – wessen Beifall sollte man denn wünschen u. suchen, als der paar Menschen mit denen und durch die man das Leben gelebt hat.
Adieu, Arthur. Im Vorübergehen möcht ich Sie auf ein sehr kluges, zu vielem Denken anregendes Buch aufmerksam machen, das mir diese letzten etwas unproductiveren Föhntage sehr bereichert hat:
Keyserlings
Reisetagebuch eines Philosophen.
Ihr
Hugo
PS. Ist es denn richtig dass ein absurdes Gesetz einem
Händler der
Brahms ganzen Briefwechsel gekauft hat, jetzt das Recht gibt, unsere so ganz vertraulichen Briefe an den Todten, ob wir wollen oder nicht, zu publicieren?