*
Allen Freunden zur Erinnerung
an meinen 50. Geburtstag
⋅ Richard Dehmel ⋅
*
- O bleib, Phönix, verlaß mich nicht,
- Traumfeuervogel, mein göttlicher,
- wie schweiften wir frei von Herd zu Herd!
- Wenn ich scheu, ich staubgeborener Wicht,
- in die Asche blies mit finsteren Gesicht,
- flogst du goldrot auf, immer neu hellauf,
- unbeschwert,
- und Sternbilder sprühten von deinen Schwingen.
- Bis ein Abend kam, wo ich müd dir grollte,
- unter fremden Fichten, in Menschensehnsuchtsqual,
- nicht mehr von dir träumen wollte,
- von deinem ewigen Zauberstrahl
- und nie erlebten Wunderdingen,
- nur von Heimat, Heimat endlich einmal –
- da huben die Sterne an zu klingen:
- Ja, die ganze Welt kannst du wild durchschweifen
- in deinem freiheitstrunknen Flug,
- kannst Kometen begleiten durch Urnebelstreifen,
- Stürme, Wolken, Blitz dir zum Spielzeug greifen,
- ach, und hast nicht Kraft genug,
- ein Haus auf der festen Erde zu bauen,
- für dich und die Deinen ein sichres Bett,
- kannst dir nicht einen Balken selber hauen,
- nicht ein Tischlein zu zimmern dich getrauen,
- nicht ein Brett,
- hockst wie ein unbeholfnes Tier
- unter den fremden Fichten hier –
- so erklangen die Sterne – da flucht’ ich dir.
- Bis der Morgen graute, bis Menschen kamen,
- hilfreich kamen, Mann für Mann,
- mich herzlich bei den Händen nahmen,
- und holde Frauen lachten mich an:
- Sieh doch, da steht das Haus schon errichtet;
- während du schweiftest von Traum zu Traum,
- ward Stein auf Stein zur Mauer geschichtet,
- der dunkle Hain zum Garten gelichtet,
- dir zum heimatlichen Raum.
- Nach freudiger Menschheit ging dein Trachten;
- weil du sie träumtest, lebt sie nun;
- du halfest ihr sich göttlich achten,
- empfang als Schöpferlohn ihr Tun;
- laß dir aus unsern schwachen Händen
- den Segen vieler starken spenden!
- So sprachen strahlend zwei der Frauen,
- mich aber wehte ein Bangen an:
- verflogen war das Morgengrauen,
- und über dem sonneblanken Tann
- fern im Blauen
- sah ich starr dich mit zitternden Klauen
- schreckbeschwert
- – Phönix – sprühend niederschauen
- auf meinen Herd.
- Wie Sankt Johannes zwischen den sieben Leuchtern
- mit gen Boden gebeugtem Gesicht
- barg ich unter den hohen Bäumen
- meinen Blick vor all dem Gnadenlicht;
- in meinen Tränen stossen zu taumelnden Flammen
- die Menschen rings mit euch zusammen,
- ihr alten Fichten um dies neue Dach –
- was rauscht ihr mir Erinnrung, ach!
- Ich fühl’s noch heute beim Schwanken eurer Zweige,
- wie ich erschüttert den Nacken neige,
- weil mir zum Dank die Kraft gebricht.
- Ich kann ja nichts als immer wieder träumen
- von seligem Aufflug zu den freien Räumen –
- O Phönix, Phönix, verlaß mich nicht! –
* * *
Force m’est trop
WD] in Form eines Adlers, die nächste Zeile als Wappenspruch