Franz Blei an Arthur Schnitzler, [Anfang? Januar 1911]

DR. FRANZ BLEI München

Tengstraße 41

Verehrter Herr Doktor,

den Aufsatz über Ch. L. Philippe, von Dr Georg von Lukacs schicke ich Ihnen, sowie ich ihn zurückbekomme – ich fürchte zwar, er wird für die N. F. P. zu lang sein, so etwa 10 Spalten. Aber, er wird doch Sie interessiren.
An Forte dei Marmi will ich Sie noch erinnern. Weg: FlorenzPisaPietrasanta. Von da im Wägelchen. Ein Haus (5 Zimmer) mit Garten kostet für die Saison (ein Wort zu grossartig für das ganz unluxuriöse Forte), d. h. 1. Juni bis Ende September 400–500 francs. Die Capana für diese Zeit etwa 80 frs. Die Person, die kommt, um einzukaufen, zu kochen, aufzuräumen, bekommt 1 Lira pro Tag – wenn sie im Haus schläft 20 frs im Monat. Der sehr schöne Strand ist 4–5 Stunden lang, reicht von Viareggio bis Massa Carrara. Es giebt Wälder und die sehr schönen Carraraberge. Es regnet so gut wie nie und die Wärme ist immer erträglich. –
Pensionen nehmen 7 frs pro Tag den erwachsenen Menschen, Kinder 3 frs.
Es ist sehr schön, sehr still da und sehr viel Raum. An den Lido dürfen Sie nicht denken.
Das ist alles was über Forte zu sagen ist.
Herzlich Ihr ergebener
Frz Blei

    Aufsatz] Ein Teil davon erschien unmittelbar nach dem Brief gedruckt: Georg von Lukacs: Über Sehnsucht und Form. In: Die neue Rundschau, Jg. 22, H. 2, Februar 1911, S. 192–198.

    Lukacs] korrigiert aus: »Lukasc«

    zurückbekomme] Zwei Briefe von Blei an Lukács lassen diesen Brief näher eingrenzen. Am 26. 12. 1909 schreibt Blei, Schnitzler habe ihn bei einem Treffen in München um den Text gebeten. (Georg Lukács: Briefwechsel 1902–1917. Hgg. Éva Karádi und Éva Fekete. Stuttgart: Metzler 1982, S. 189.) Am 6. 1. 1910 schreibt Lukács, er nehme die Vermittlung zur Neuen Freien Presse an. (Ebd., S. 196.) Dadurch, dass eine solche Vermittlung gerade nicht stattfindet, der Text aber schon ab Mitte des Monats für Die neue Rundschau blockiert sein musste, ist der Brief davor anzusiedeln.

    Capana] italienisch capanna: Hütte