Schlaflied für Mirjam.
- Schlaf mein Kind – schlaf, es ist spät!
- Sieh, wie die Sonne zur Ruhe dort geht,
- Hinter den Bergen stirbt sie im Rot.
- Du – du weisst nichts von Sonne und Tod,
- Wendest die Augen zum Licht und zum Schein,
- Schlaf, es sind soviel Sonnen noch dein,
- Schlaf mein Kind – mein Kind, schlaf ein!
- Schlaf mein Kind – der Abendwind weht;
- Weiss man, woher er kommt, wohin er geht?
- Dunkel, verborgen die Wege hier sind,
- Dir, und auch mir, und uns allen mein Kind!
- Blinde – so gehn wir und gehen allein,
- Keiner kann Keinem Gefährte hier sein –
- Schlaf mein Kind – mein Kind, schlaf ein!
- Schlaf mein Kind und horch nicht auf mich!
- Sinn hat’s für mich nur, und Schall ist’s für dich;
- Schall nur, wie Windeswehn, Wassergerinn,
- Worte – vielleicht eines Lebens Gewinn!
- Was ich gewonnen, gräbt mit mir man ein,
- Keiner kann Keinem ein Erbe hier sein –
- Schlaf mein Kind – mein Kind, schlaf ein!
- Erwähnte Personen: Richard Beer-Hofmann – Arthur Schnitzler – Frieda Pollak – ?? [Übersetzer Deutsch zu Ungarisch] – Louis Philipp Friedmann – Friedrich Eckstein – Paula Beer-Hofmann – Olga Schnitzler – Mirjam Beer-Hofmann — Erwähnte Werke: Richard Beer-Hofmann: Schlaflied für Mirjam (15. 11. 1898) – Édouard Pailleron: Die Welt in der man sich langweilt (1881) – Arthur Schnitzler: Das weite Land. Tragikomödie in fünf Akten (1911) – Arthur Schnitzler: Der junge Medardus. Dramatische Historie in einem Vorspiel und fünf Aufzügen (26. 10. 1910) — Erwähnte Orte: Bad Ischl – Wien – Steinfeld – Ungarn – Hotel Post
Brief] Siehe Arthur Schnitzler an Richard Beer-Hofmann, 29. 6. 1910
einen schönen Verses] In Die Welt, in der man sich langweilt wird von einem Dichter eine Tragödie vorgetragen, die »einen schönen Vers« enthält.
sich] Er schreibt »Sich«.
dachten] Vorlage war Louis Friedmann, einen Fabrikanten, den er bereits im Gymnasium kennengelernt hatte, vgl. A. S.: Tagebuch, 21. 8. 1908
minaudirenden] französisch: affektiert, manieriert
Table d’hôte] französisch, wörtlich: Tisch des Gastgebers; gemeint ist eine Menüfolge, bei der die Speisen vorgegeben sind.
Ihr »Gustl Wahl«] Friedrich Eckstein ist in der Ischler Kurliste vom 6. 7. 1910 als im Hôtel Post wohnhaft gelistet.