Ischl 7./VII. 10
Lieber Arthur!
Ihr Brief
ist mit seiner neuen Adressirung gestern angelangt. Nun weiss es der Briefträger – glaube ich – auch schon wo »
Steinfeld 6« ist.
Hier, die gewünschte
Abschrift, des »
einen schönen Verses« aus der »
Welt i. d. m. sich langweilt«. Bitte, lassen Sie die Verse vielleicht von Fräulein
Pollak abtypiren, und schicken Sie mir die Abschrift zurück; ich brauche sie, um sie dem
Übersetzer ins
Ungarische (dem ich sie vor Monaten versprach) zu schicken.
»
Das weite Land« habe ich auf der Fahrt mit vieler Freude gelesen. Es hat den denkbar schlanksten Aufbau, und das bewusste Nichtverkleiden des Constructiven wirkt am Ende – wo einem die Führung klar wird – wie ein neuer Reiz. Sie haben, – glaube ich – bisher noch nie so straff die Zügel aller Ihrer Figuren gehalten, und man empfindet alles, was feinfühlige Kritiker »Beiwerk« nennen als woltuend, um scharf gespanntes ein wenig zu lockern. Schon im »
Medardus« schien mir die Richtung erkennbar, nach der Sie sich
nun wenden.
Es scheint, als genügte es Ihnen nicht, und wäre nicht in Ihren Absichten gelegen, die stärksten Wirkungen von den einzelnen Menschen Ihres
Stückes, und ihren Schicksalen ausgehen zu lassen, sondern als strebten Sie, bewusst, dahin, Einzelschicksale derart miteinander zu verknoten, dass jedes Theilschicksal nur ein sich unterordnender Zug, eine Runzel, ein Grinsen, ein Blick einer einzigen Schicksalsmaske würde, deren Ausdruck, am Ende des
Stückes, das wäre, was einem als Wesentlichstes haften bliebe. Sie können freilich sagen, – dahin gienge endlich alles dramatische Gestalten. Nur, scheint mir jetzt – ich möchte sagen – die Art Ihres Vortrags, Ihre Stimme zärtlicher und liebender zu sein, wenn es um Verschlingungen von Schicksalen geht, als um das Fühlen der Einzelnen.
Übrigens ist die Figur des »
Hofreiter« so stark herausgekommen, dass es mir wie Kindern geht, denen die Bösewichte des Stückes nie genug geprügelt werden. Den »
Hofreiter« an den Sie
dachten, kenne ich nur sehr oberflächlich aber dieser »Charmeur« war mir in seiner halbfrechen, halb minaudirenden
Koketterie immer unerträglich. Alles was er sagte und tat, war ein Versuch einen zu beschwätzen, oder zu brutalisieren. Ich glaube i
mmer die Art wie er seine Liebe an die Frau bringt, muss ein Mittelding
zwischen der Energie eines Handlungsreisenden und der eines Erpressers sein. Für Menschen dieses Schlages wäre eine Hölle leicht zu erfinden: Der Ort, wo Alles, um seiner selbst willen gesagt und getan wird, und wo nichts sich spiegeln kann. Ich begreife, dass Frauen die Existenz von
Hofreiters als eine einzige grossartige Reverenz vor ihrer Sexualität empfinden, aber ich verarge – Ihnen, lieber Arthur – sehr, dass Frau
Genia ihn liebt. Ich glaube immer, Sie haben, aus gemeinsamer Jugend her, noch mehr Sympathie für Herrn
Fried– – –rich Hofreiter als er verdient. Wenn schon – dann ziehe ich die
Aigners vor. Bei denen ist es animalischer, mehr um der Sache selbst willen, und, wie Alles Sachliche, zuletzt, nicht hässlich.
Übrigens ist das »
Und man kann doch nicht Jeden – – –«
Hofreiters, in der letzten Scene, prachtvoll. Hier wirkt er doch grösser, und hat ein anderes Gesicht als die kleinlich verknitterten Züge einer lüsternen Maus (über die, von den klein sich kräuselnden Haaren, ein Schatten Judenthums fällt) – an die mich das Original immer erinnerte.
Missrathenes Halbblut, das einen – nicht mich – nachdenklich machen könnte!
Hier – noch dazu in Association mit der Table d’hôte
– wirkt das nicht wie ruhige Offenheit, sondern es wird daraus ein komisch-pedantisches, sich an den Tisch der Liebe setzen, und auf den letzten Gang freuen.
Als ich hier ankam, und vor dem »
Hôtel Post« auf mein Gepäck wartete, war Ihr »
Gustl Wahl«
das erste bekannte Gesicht, das ich sah. Er wird meine grosse Heiterkeit bei seinem Anblick nicht verstanden haben.
Lieber Arthur: Ich danke Ihnen für die schöne Nachmittagsvorstellung die Sie mir verschafften, bin sicher, dass Sie noch sehr viel Freude an Ihrer
Tragikomödie haben werden, habe Ihnen noch eine ganze Menge darüber zu sagen: (hoffentlich ko
mmen Sie bald hieher) – und grüsse – mit
Paula zusa
mmen – Sie und Ihre
Frau herzlichst