Nehmen Sie es mir, bitte, nicht übel, wenn ich Sie mit einem Anliegen beläſtige, das Ihnen etwas ſonderbar erſcheinen mag.
Sie ſind, ſoviel ich weiß, mit Hr. D
r Schnitzler befreundet, den ich leider perſönlich nicht kenne. Wenigſtens habe ich Sie ſeinerzeit in Geſellſchaft des Hr.
Schnitzler in
St. Gilgen geſehen.
Nun ſoll demnächſt im
Deutſchen Volkstheater Schnitzler’s »
Liebelei« zur Aufführung ge
*langen, ſobald nur erſt die Beſetzung der Rolle der »
Mizi Schlager« feſtgeſetzt. Und hier iſt der Punkt, wo ich Ihre gütige Intervention in Anſpruch nehmen will.
Für dieſe Rolle war nämlich urſprünglich ein Frl.
Thekla Braun in Ausſicht geno
m̅en, die erſt ſeit Beginn dieſer
Saison dem
Volkstheater angehört. Frl.
Braun war früher beim
Opernballet, dann zwei Jahre in
Graz als Schauſpielerin – und hier eben ſah ſie Dir.
Weisse in der Rolle der »
Schlager Mizi« u. engagierte ſie vom Fleck weg fürs
Deutſche Volkstheater. Er verſicherte ſie, daſs er die »
Liebelei« fürs
Volkstheater *mit Hilfe des Autors – das Stück gehörte dem
Burgtheater – freimachen werde, denn er könne das Stück speziell in der Rolle der »
Schlager« beſſer beſetzen als Dir.
Schlenther u. dgl. m. Da Frl.
Braun, die ich ſeit 10 Jahren kenne – ſie war damals ein 15jähriger Backfiſch u. kam in die Tanzſtunden zu
Hassreiter, die ich alter Esel beſuchte – auf meinen Rat das Engagement am
Volkstheater angeno
m̅en hat, obwohl ſie verlockendere Anträge anderer
Wr Bühnen beſaß, ſo bin ein bischen engagiert in dieſer Sache u. möchte
↑ihrſie↓ nun in ihrer Leidenbahn
*– das war nämlich bis nun ihr
Engagement – nicht ganz im Stiche laſſen. Frl.
Braun, die für erſte Rollen mit einer
Anfangsgage von 5000 K engagiert worden war, kam vorläufig zu keiner einzigen. Meist ſtand ihr Frau
Glöckner im Wege. Nun würde ſie i
m̅er wieder auf die »
Liebelei« vertröſtet, die ja noch in dieſem Jahre erſcheinen
, und in der ſie »ſich machen werde.« Siehe da – die »
Liebelei« kam, aber Frl.
Braun ſoll die
Rolle nicht ſpielen.
Wer ſie ſpielen wird, ſteht allerdings noch nicht feſt, u. es ſcheint die Beſetzung einige Schwierigkeiten
*zu machen, ſofern man der nageliegendſten, der mit Frl.
Braun gefliſſentlich aus dem Wege geht. Frl.
Braun hat daher an Hr. D
r Schnitzler die ſchriftliche Bitte gerichtet, ihr zu geſtatten, daſs ſie ihm die Rolle der der »
Mizi Schlager« vorſpreche, damit ſich der Autor ſelbſt, der gewiſs das eminenteſte Intereſſe an einer richtigen Beſetzung hat, ein entſprechendes Urteil über die Fähigkeiten des Fräuleins bilden kann.
Ich möchte nun meinerſeits an Sie, verehrter Herr, die ergebenſte Bitte richten, das
*Anſuchen des Frl.
Braun bei Herrn D
r Schnitzler auf meine Empfehlung hin zu befürworten. Die Direktion hat ja dann noch immer freie Hand, und es iſt wenigſtens alles geſchehen, um einem allfälligen Miſsgriff vorzubeugen u. auch ein ſtarkes, ſtrebſsames Talent vor unverdienter Kränkung zu ſchützen.
Falls Sie dem Fräulein
Braun geſtatten wollten, Sie zu beſuchen, ſo bitte ich um zeitige Bekanntgabe von Tag und Stunde, die Ihnen
*genehm wären. Jedesfalls wiederhole ich aber meine Bitte um Befürwortung jenes Erſuchens, des Frl.
Braun an D
r Schnitzler richtete. –
Und zum Schluſſe bitte ich nochmals, mir dieſe langweilige, Sie wohl empflindlich ſtörende Epiſtel zu verzeihen – ich komm gewiſs kein zweitesmal!
In aufrichtiger Verehrung
Ihr
Camillo Müller.
Bitte der gnädigen
Frau meine Handküſſe zu übermitteln! W. O.