Arthur Schnitzler an Hugo von Hofmannsthal, 27. 11. 1906



*Wien, 27. Nov 906
lieber Hugo, ſchönen Dank für das Buch. Außerordentlich habe ich Ihre Vorrede zu »Tauſend und eine Nacht«, dann Ihren Artikel über die Tänzerin Ruth gefunden. In früherer Zeit war in ſolchen Aufſätzen von Ihnen zuweilen ein oder das andere Wort enthalten, das ſich zu hoch davonſchwang, ſo daſs zuweilenmanchmal gerade eine beſondere Schönheit mir den Rythmus des ganzen ein wenig ſtörte. Jetzt iſt Gleichmaß und *Flügelhaftigkeit auch dieſen Aufſätzen ſo vollkommen eigen, daſs man und die Eigenart iſt Ihres Proſaſtils iſt zugleich ſo gewahrt und ſo erhöht worden, daſs man für dieſe Produkte am liebſten einen eignen Namen erſinnen möchte. Sehr ſchön waren auch die Dialoge über die »Schweſtern«, beſonders der zweite Artikel. Wunderbar iſt es Ihnen gelungen, den Widerſtreit der Empfindungen auszudrücken, mit dem man dem ganzen Problem *Waſſermann gegenüberſteht, indem Sie, wohl auch zu eigner Beruhigung, Ihre Seele dialogiſch aufgelöſt und ſich dazu bekannt haben, daſs wir nicht nur der Welt, den Erlebniſſen, den Menſchen, ſondern auch jener einzigen Einheitlichkeit die wir Kunſtwerk nennen, durchaus nicht einheitlich, ſondern zugleich onkel- majors- mädchen- gutsbeſitzer- träumerhaft ins Auge ſchauen. Gewöhnlich ſchreibt über die Dinge Einer, der nur ein Onkel, *nur ein Träumer, nur ein Mädchen iſt. All dies ließe ſich richtiger ausdrücken, wozu mir die Salung in dieſem Augenblicke fehlt.
Hoffentlich ſieht man ſich wieder we Sie zurückkehren, aus München, Göttingen, Berlin. Laſſen Sie gelegentlich was von ſich hören.
Herzlichst
Ihr
Arthur.
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    Buch] unklar; die kurze Erwähnung deutet auf kein bedeutenderes Werk hin. Zwar könnte es sich um den ersten Band der zwölfbändigen Ausgabe von Tausendundeine Nacht in der Übersetzung von Felix Paul Greve (Insel-Verlag, Ausgabe ab November 1906) handeln, dessen Vorrede in Folge erwähnt wird, doch ist diese auch unmittelbar vor dem Brief am 25. 11. 1906 in Der Tag erschienen.

    zurückkehren] Er ist von 28. 11. bis 16. 12. 1906 in Deutschland unterwegs.