Sie haben offenbar einen Brief von mir nicht beko
mmen, den ich an Sie vor etwa 14 Tagen, ich glaube an dem Tag wo Ihre
Elektra bei mir erschien, an Sie geschrieben habe. Das wesentlichste, was dieser Brief enthielt war die Bitte Ihre
Elektra an
Antoine, resp. an Dr
Stephan Epstein Paris 78 rue de l’Assomption,
Antoines Dramaturgen fürs Ausland zu senden, dem ich neulich über das
Stück kurz berichtet habe.
Dass
B. Garlan beim zweiten Lesen so angenehm auf Sie wirkte, freut mich sehr – ich hab es seit dem Erscheinen nicht wieder gelesen wie ich es (we
nn mich nicht äußerliche Gründe zu einer wiederholten Lectüre nöthigen) mit allen meinen gedruckten Sachen halte. Daher weiss ich auch seit etwa 8 Jahren nichts mehr von »
Sterben«. Es sta
mmt aus der Zeit, wo mich der »Fall« mehr interessirt hat als die Menschen, und ich denke das meiste aus dieser Epoche muss wie luftlos wirken. Diese Sachen – ich hab es neulich wieder am »
Jour de gloire«
erfahren, wirken in anständiger französischer Übertragung besser als in meinem Deutsch. Die reine Tendenz des Erzählens ist dem romanischen Sprachgeist eingeboren, während es im deutschen gleichsam wie gegen die Natur wirkt, wenn die Mittheilung von Thatsachen der Seele und Menschlichkeit entbehrt. Die umgekehrte Probe kann man machen, we
nn man irgend eine kurze
Maupassant Geschichte die französisch noch lange nicht schwach wirkt, in deutscher Uebersetzung liest.
– Immerhin hab ich die Empfindg dass meine Technik der inneren Entwicklung meiner Production noch nicht nachgekommen ist – was mir übrigens nicht bange macht. Es ist jetzt in mir wieder so eine Neigung Sachen nur anzufangen und zu skizziren wie in der Zeit, die der
Anatol-Epoche vorherging. Am meisten beschäftige ich mich jetzt mit einer Art von
Komödie und bin innerlich am meisten von dem
Roman erfüllt, den ich im Frühjahr begonnen, den aber fortzusetzen ich nicht in genügend reiner Sti
mmung mich befinde.
In Concerte gehen wir nicht selten, ins Theater beinahe nie, aus persönlichen Gründen waren wir bei der
Novella d’Andrea – und ich hab es nicht ohne Bitterkeit empfunden, dass ich den
Kainz nie werde den
Sala spielen sehen. Denn das
Burgtheater, wie Herr
Schlenther an
Fischer geschrieben, »reflectirt nicht« auf dieses
Stück.
Brahm gegenüber (was Sie ja wohl wissen dürften) hat sich
Schl. über das
Stück sehr misfällig geäußert; scheint es aber, wie
Brahm sagt, ganz oberflächlich – und wie ich überzeugt bin – mit bösem Willen gelesen zu haben.
Und nun, wann sieht man sich wieder? Wie wär es, Montag oder Mittwoch Abend in dem
Hietzinger Restaurant? Schreiben Sie mir, wann es Ihnen besser passt und ob auch Ihre
Frau mitkommt.
Und
Richard? Ich höre u sehe nichts von ihm. – Sobald das Wetter ein bischen angenehmer wird, kommen wir gern nach
Rodaun.
Das andere
, das ich bald bekomme, ist wohl das
gerettete Venedig? –
Leben Sie wohl. Herzlichst Ihr
A.