Arthur Schnitzler an Hermann Bahr, 28. 10. 1901

lieber Hermann,

aus deinem lieben Brief entnehme ich u. a. dss Berger hier war. Ist er noch in Wien? (Er schrieb mir eine Karte (aus Hamburg), dss er mich persönlich sprechen wollte, in Angelegenheit der Stücke.) –
Die Dolchdame ist gewiss ein schweres scenisches Ding; aber so weit sind wir heute doch schon in diesen Sachen, dss es unbedingt gehen muss. –
Bukovics hat mich neulich mit der Aussicht entlassen, dss er über die Besetz nachdenken werde. Du hast ja recht; ich muss energischer mit ihm sein, aber mir fehlt die rechte Begeisterung für die voraussichtliche Volkstheateraufführg. Nun es bleibt mir ja nichts andres übrig. Ich werde nächstens »stürmisch« einen Contract mit einer Million Poenale verlangen.
– Wie man die »Literatur« so besonders gut finden kann, versteh ich absolut nicht; mein faible sind die »lebendigen Stunden
Kainz wollte am 5. den Gustl lesen; aber Herr Gutmann hat Angst gehabt. Ich werde anfangen, die militärische Verachtg gegen das Civil zu theilen.
Herzlichst dein
Arthur
28. X. 901.
    Erwähnte Personen: Arthur SchnitzlerHermann BahrAlfred von BergerEmerich von BukovicsJosef KainzAlbert GutmannErwähnte Werke: Arthur Schnitzler: Lebendige Stunden. Vier Einakter (23. 12. 1901) – Arthur Schnitzler: Die letzten Masken (1901) – Arthur Schnitzler: Literatur (1901) – Arthur Schnitzler: Die Frau mit dem Dolche (1901) – Arthur Schnitzler: Lebendige Stunden (1. 12. 1901) – Arthur Schnitzler: Lieutenant Gustl. Novelle (25. 12. 1900) — Erwähnte Orte: WienHamburgDeutsches SchauspielhausBösendorfer-Saal

    Karte] »Hochgeehrter Herr Doctor! / Nächste Woche spreche ich Sie in Wien. Ich bin von den ›letzten Stunden‹ entzückt, so entzückt, als die Hamburger darüber empört sein werden. Alles Nähere mündlich. Herzlich grüßt / Alfred v. Berger / 18/10 1901« (gedruckter Kopf: »Deutsches Schauspielhaus in Hamburg«, Cambridge University Library, Schnitzler, B 10).

    Contract mit einer Million Poenale verlangen] Vgl. den Brief Schnitzlers an Emerich von Bukovics, 11. 12. 1901, in Briefwechsel Bahr/Schnitzler 219–220.

    Gutmann] Betreiber einer Konzertagentur, die im Bösendorfer-Saal Veranstaltungen organisierte.