Hermann Bahr an Arthur Schnitzler, 5. 7. 1901



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Lieber Arthur!

Ich danke Dir herzlich für Deinen lieben Brief. Ich habe neulich mit Hugo davon geſprochen, wie es mich freut, zu Dir endlich ein aufrichtiges und gutes Verhältnis gefunden zu haben und zu empfinden, daß es wohl nicht mehr geſtört werden kann, mögen unſere Meinungen immerhin auch künftig noch manchmal auseinandergehen.
*Hugo iſt ſehr ſtolz, weil er das Gefühl hat, in dieſer Sache von jeher geſcheiter geweſen zu ſein, als wir es Jahre lang waren.
Für Pötzl kann ich, ſo unerfreulich er ſich gegen mich, mit anonymen Briefen und auf Hintertreppen operierend, fortgeſetzt benimmt, ein[e] ſtille Bewunderung nicht los werden, weil er doch das vollendet*ſte Exemplar des biederen Wieners iſt, und mir immer nur leid thut, daß ihn Flaubert nicht gekannt hat, der ein wahres Freudengeheul über ihn ausgestoßen hätte. »Den Arier« müßte einmal Jemand ſchildern und müßte einmal die andere Seite der »armen Spielleute« zeigen, den gemütlichen Naderer, der eigentlich der Grundtypus des Öſtreichers zu ſein ſcheint, was irgendwie *ſehr tief mit dem Katholicismus zuſammenzuhängen ſcheint – worüber Poldi und Hugo freilich Zeter und Mordio ſchreien würden. Pötzl oder der Herr Davis von der »Reichswehr« oder der Ton des Kikeriki – das ſind lauter Sachen, die an den Hof Philipps gehören und die ich mir großartig von Velasquez gemalt denken könnte.
Einen guten Sommer wünſcht Dir
herzlichſt
Dein
Hermann
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    Den Arier] Pötzl behandelte in seinen Texten häufig Wiener Typen.

    Naderer] österreichisch: Verräter, Petze

    Kikeriki] antisemitische Satirezeitschrift