Hugo von Hofmannsthal an Arthur Schnitzler, 1[6?] 1. 1901

lieber,

hier ist das Bild für die Schauspielerinnen. Habe aus Neugierde den ersten Theil von »Frau Bertha Garlan« gelesen und finde es wunderschön, so reif, reich und leicht, voll Ruhe und Fülle, in zarten Farben, voll Luft, sehr schön. Trotzdem bleibt der Schluss des »blinden Geronimo« in der gegenwärtigen Form mangelhaft, enttäuschend. Es muss aber sehr leicht zu ändern sein. Aber ich irre mich nicht, denn ich habs wieder gelesen.
Ich hätte eine große Bitte: Dass am Sonntag mit dem Lesen schon um ½ 5 begonnen wird. Ich freue mich seit langem mit der Gerty, die nie ein Stück von Shakespeare gesehen hat, in eines zu gehen und so haben wir für Sonntag eine Loge für Heinrich IV. bestellt.
Ich hoffe, es lässt sich durchführen und werde pünktlich ½ 5 bei Ihnen sein.
Herzlich
Hugo.
    Erwähnte Personen: Hugo von HofmannsthalArthur SchnitzlerGertrude von HofmannsthalWilliam ShakespeareErwähnte Werke: Neue Deutsche Rundschau (1. 1. 1894–31. 12. 1903) – Arthur Schnitzler: Frau Bertha Garlan. Roman (15. 1. 1901–15. 3. 1901) – Arthur Schnitzler: Der blinde Geronimo und sein Bruder (22. 12. 1900–12. 1. 1901) – William Shakespeare: Heinrich IV. (1597) — Erwähnte Orte: Wien

    ersten Theil] Die Datierung dieses Korrespondenzstücks gelingt durch implizite Faktoren: Die Neue Deutsche Rundschau erschien üblicherweise zur Monatsmitte, was die früheste Möglichkeit der Lektüre von Frau Bertha Garlan ergibt. Nachdem der Brief vom 17. 1. 1901 bereits auf die stattgefundene Lektüre verweist, ist dieser davor anzusetzen.

    Sonntag] vgl. A. S.: Tagebuch, 20. 1. 1901