Hugo von Hofmannsthal an Arthur Schnitzler, 6. 5. [1900]



*Brighton, 6 V.

mein lieber Arthur

ich war ſehr froh darüber daſs Sie in der Zeit von Papas Krankheit meine Eltern oft beſucht und mir ſo gut und beruhigend darüber geſchrieben haben.
Ein Zufall hat mich veranlaſst, für kurze Zeit hierher zu gehen und ſo werde ich auch noch mit einer etwas traumhaften *Flüchtigkeit London ſehen.
Wenn ich auch nicht gar ſo viel Fertiges mitbringe, ſo dafür um ſo mehr angefangenes und entworfenes.
Hier iſt mir nach einer langen Zeit zuerſt die N. Fr. Preſſe wieder in die Hände gekommen. Das ſtrömt eine kleinliche, ordinäre, herabgekommene Atmoſphäre *aus, in welcher man niemals wirklich zu leben trachten muſs.
Warum ſchreibt ein anſtändiger Menſch wie Goldmann 6 Spalten voll mit Nichts, dieſes Nichts in dem unbeſchreiblich widerwärtigen witzelnden jüdiſchen Ton, der nirgends auf der Welt exiſtiert als im Feuilleton deutſcher u. oeſterr. Zeitungen?
*Ungefähr den 18ten werde ich in Wien ſein und freue mich ſehr auf Sie und Richard, auf den Frühling in Niederöſterreich und aufs Radfahren.
Von Herzen Ihr
Hugo.
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