Arthur Schnitzler an Richard Beer-Hofmann, 26. 4. 1897

Herrn Dr. Richard Beer-Hofmann

26. 4. 97.

Lieber Richard,

allerdings würden Sie für Paris einige hundert Jahre brauchen!
Nur die Bouquinerien! – Und die Emaux aus dem 16 u 17. Jahrhundert im Louvre
Ich schreibe so beiläufig her, wobei ich am heftigsten an Sie gedacht – – und die Chinoiserien im Guimet
Wäre ich Altenberg so würde ich sagen:
Paris ist »die« Stadt . . . . . La ville . . . . . . .
Paris ist la grande ville . . . .
Im Ernst gesprochen (im Gegensatz zu Altenberg.): Die Form für alles ist da, das ist das wesentliche: die ganz großen schöpferischen Talente scheinen heute noch zu fehlen. Dagegen sind die reproducirenden da; die ununterbrochen für die Form sorgen. Auch die Decoration ist für alles da; jederzeit können die großen Künstler auftreten, ohne sich um etwas andres kümmern zu müssen als um ihr Genie. – Auch große Menschen jeder Art finden alles bereit; der Concorde-Platz scheint eigentlich nur auf einen neuen Napoleon zu warten.
– Aber diesen Brief hab ich nur angefangen um mich bei Ihnen nach Ihnen zu erkundigen. Wie geht es Paula? Bei »uns« – mit »Riesenschritten«.
Bleiben Sie in Wien? –
– Darüber sein Sie ruhig: zu einem »wirklichen« Brief komm ich hier nicht.
Graf ist hier, Sie wissen ja, dem Sie eine zärtliche Empfehlung an Paul gegeben. Den treff ich natürlich immer. Also könnte der kleine Kraus bald einen Artikel über die Flucht aus Wien schreiben. –
Wie leben Sie? –
Ich: Vormittg Louvre oder Luxemburg oder so was; Abends immer im Theater. Entzückend die ganz kleinen. Es wimmelt von »Flohtheatern des Arthur Schnitzler«.
Gestern oder vorgestern Nachm in einem dieser kleinen »la Bodinière« Aufführung von französ. Musik des 16. u 17. Jahrhunderts.
– In andern werden diese hübschen Kleinigkeiten von Lavedan, von Courteline aufgeführt. Oder, wie ich neulich in der »Roulotte« sah, ein Volkslied von zwölf Zeilen wird einfach »aufgeführt«. Er und Sie – kein lebendes Bild, was bekanntlich sehr todt ist, sondern sie spielen das Volkslied. –
Überhaupt »hier kann man schon einmal alles haben«.
Schreiben Sie mir bald.
Herzlichst Ihr
Arthur.
Paul schon 9 Tage in Frankfurt; kommt bald. –