[hs. Hugo von Hofmannsthal:] zu ſehen intereſſiert mich weniger als zu erfahren, wie Ihr vier Menſchen
[hs. Hermine Benedict:] beſonders Richard und Paula, von der man nicht recht weiß,
[hs. Hugo von Hofmannsthal:] ob ſie außer der Seekrankheit noch etwas merkwürdiges in Dänemark erlebt hat
[hs. Hermine Benedict:] (und ob das Mädchen mit dem Loch im Strumpf ſchon »die Epiſode« genan̅t werden darf
[hs. Hugo von Hofmannsthal:] weiß man ja auch nicht) Euch befindet.
[hs. Hermine Benedict:] erinnert ſich auch ſo gut an die Heroinenzeit beim »Leopold« in Ischl vor 2 Jahren
[hs. Hermine Benedict:] nur einmal geſehen und kan̅ da- her unmöglich ſo warm empfinden wie jener Dichter.
[hs. Hermine Benedict:] beſprochen, auf Wahrheit beruht – mir will ſcheinen – nein – 3mal Nein!!
[hs. Hugo von Hofmannsthal:] ich hoffe ja!: daſs Sie einmal für ein paar Wochen von allen inneren Gewöhnungen losgekom̅en,
[hs. Hermine Benedict:] iſt für Sie wahrſcheinlich ſehr gut, aber ↓für↓ das, was Sie früher beſchäftigt, recht traurig.
[hs. Hugo von Hofmannsthal:] Umſo beſſer! – Daſs Sie in dem zweiten Act dem Mädel mehr Leben gegeben haben, wird ſicher
[hs. Hermine Benedict:] eine große Wirkung haben, denn wir haben ja ſchon oft beſprochen, daß die Christine davon nicht genug habe
[hs. Hugo von Hofmannsthal:] und das Stück braucht Rührung, ſonſt wird es trocken und revoltierend. Meine
[hs. Hermine Benedict:] Neugierde, es zu leſen, kennt keine Grenzen, denn wenn man Leute nicht oft ſieht, muſs man in ihren Zeilen leſen
[hs. Hermine Benedict:] während große Thaten und große Züge, die darauf angelegt ſind, charakteriſtiſch zu wirken, eine ganze Welt von Mißverſtändniſſen hervorrufen.
[hs. Hermine Benedict:] »zu alt, um nur zu ſpielen«? Jedenfalls müſste die weibliche Hauptrolle diesmal nicht von Ihnen geſchrieben ſein,
[hs. Hugo von Hofmannsthal:] (warum?). Meine Novelle werden Sie nie ſehen. Nie heißt nie. Weil ſie ſo ſchlecht iſt.
[hs. Hermine Benedict:] Er zeigt nicht einmal die guten Sachen herzu. Doch müſste man ihn manchmal leſen, wen̅ die Perſon undeutlich wird.
[hs. Hugo von Hofmannsthal:] Freilich haben meine Sachen wieder das Häßliche, daſs alles allzudeutlich geſagt iſt. Ob der Richard
[hs. Hermine Benedict:] wieder etwas ſchreibt, iſt, wie ich reumüthig bekenne, für uns Altausseer ganz intereſſant,
[hs. Hugo von Hofmannsthal:] ich verſuche mir manchmal vor↓zu↓ſtellen wie es wäre, wenn Sie hier wären
[hs. Hermine Benedict:] und ob wir alle Drei dabei nicht viel netter herauskämen, was ich ganz beſtimmt glaube; ſeien Sie
[hs. Hermine Benedict:] zwei noch ſo gute, gleichgeartete, männliche Naturen haben nicht die Größe nett neben einander einherzugehen
[hs. Hugo von Hofmannsthal:] wenn zwiſchen ihnen etwas Halbwahres beunruhigend herumwimmelt. Deswegen
[hs. Hermine Benedict:] werden Sie doch herkommen, ſchon allein um Jdieſe jugendliche Behauptung von »Halbwahr« zu widerlegen,
[hs. Hugo von Hofmannsthal:] wozu Sie ja durch Ihre oft beſprochene Überſchätzung der weiblichen »Individualitäten« ſo geeignet ſind.
[hs. Hermine Benedict:] Glücklich der, welcher imſtande iſt, Geſtalten zu ſchaffen, an die er glaubt, drum laſſen Sie ſich nicht hetzen,
[hs. Hugo von Hofmannsthal:] ſondern glauben Sie ruhig weiter, auf das Wirkliche kommt’s nicht an, denn vielleicht exiſtiert es gar nicht.
[hs. Hermine Benedict:] Ich glaube, wir brauchen Sie darüber nicht aufzuklären, Sie haben ein ſo ſtarkes Wahrheitsgefühl,
[hs. Hugo von Hofmannsthal:] daſs Sie auch den dreifachen Sinn dieſes Briefes erkannt haben werden, worüber Sie nächſtens in Wien mir (nur hier) Auskunft geben können.