Lieber Hugo. Von
Salzburg aus, wo
Richard,
Salten u. die
Salomé zusa
mmen waren, fuhren ich u.
S. per Rad davon. Das war sehr schön. Man hat schon ganz aufgehört, so mitten durch Dörfer und Flecken zu fahren, mitten dur
ch das Leben und die Naivität
eines Ortes. Von Stationen aus, wo sich naturgemäß künstliches sa
mmelt, sieht man das alles schief. Auch die Landstraßen werden wieder lebendig, wachen auf, und man gehört mit zu den Erweckenden. Auch Zufälle gibt es wieder, und, das beste, man hält den Zug an, wo es beliebt. Dagegen fällt das mancherlei unangenehme, dss es regnen kann und dass man nass u kotig wird u stürzt, wenig ins Gewicht. Wir hatten darunter genug zu leiden, mußten sogar in einem Zollhaus stundenlang ein bessres Wetter abwarten. Amüsant war es, wie gerade an der
bair-
oesterr Grenze, zwischen
Reichenhall u
Lofer,
Burckhard auf einem Rad entgegenkam, der von
Innsbruck nach
Ischl fuhr. Bei diesem Menschen ist eine Mischung von »reinem Thoren« und gefinkeltem Diplomaten sehr interessant, welche mir i
mmer zweifelloser wird. Sein persönlicher Charme ist vielleicht dieses Durchleuchtetwerden eines verworrenen bunten selbst trüben Äußern von innen her.
Worüber noch einiges zu sagen wäre. Hier, in
M. bin ich seit Donnerstag mit
Paul Gldm. zusa
mmen, der sehr gut aussieht, aber mit Schicksal und Aussichten wenig zufrieden ist und insbesondere daran leidet, dass er seine eigene Thätigkeit nicht genügend schätzt, weil sie nicht in der wünschenswerthen Weise anerkannt wird. Ist übrigens wie i
mmer voll Verstand, Verständnis, Herzlichkeit, Freude am Schönen; wohlthuend in dem, was er bringt, und in der Art wie er aufni
mmt. Seit gestern Abend ist auch
Richard da, und die
Salomé soll am 3. od. 4. ko
mmen. – Im
Glaspalast ist sehr wenig gutes, viel mittelmäßiges und zu viel schlechtes. Viel mehr ist in der
Secession zu sehn; manches, das weit über den Schweinen und weit über den Schnapsflaschen des technisch ausgezeichneten
Heyden steht. Die
Meistersinger hab ich schon einmal gehört, heute wieder. Neulich
Tristan, dem arger Schade zugefügt wird, indem man sich einbildet, ihn ungekürzt geben zu können oder gar zu müssen. An den
Geschwistern u am
Clavigo hab ich mich trotz vieler Mängel der Darstellung neulich tief erfreut. Zum ersten Mal (in den
Geschwistern) die
Conrad-Ramlo gesehn, die viel zu bedeuten scheint. – Heute wird
Sedan gefeiert; Fahnen, Wimpeln, Festzeitungen, Festvorstellungen, Menschen auf der Straße hin u her, geschmückte Stadt – wohl auch einige von Stolz und Begeisterung geschwellte Herzen, die man zum Glück nicht sieht. Das andre aber ist ein helles und freundliches Bild.
– Freitag den 6. werde ich wohl wieder in
Wien sein; schreiben Sie mir von den Manövern aus, wenn Sie Zeit haben, noch eine Zeile dahin. Sagen Sie, wie ist de
nn eigentlich Ihr Rennen ausgefallen? –
Von
Paul u
Richard, wie von mir die herzlichsten Grüße. Jetzt wollen wir, vor der Oper, nach
Nymphenburg fahren.