Hugo von Hofmannsthal an Arthur Schnitzler, 19. 7. 1893



*Salzburg Bad-Fuſch, 19. VII. 93

lieber Arthur!

Richards Bericht von dem »Abschiedsſouper« war recht unerfreulich; er ſcheint mit der gewiſſen Hellſichtigkeit der Autoren jede Mücke als Elefanten empfunden zu haben; wie es wirklich war, weiß ich natürlich nicht, jedenfalls iſt die überaus freundliche, gewiſſermaßen reſpectvolle Notiz in der »Neuen Freien Preſſe« ſehr erfreulich und nützt 10mal mehr als die Aufführung ſelbſt. So wird im ganzen dieſer Einbruch von äußerem Leben in Ihr inneres keine ſchlechte Laune zurückgelaſſen haben.
*Ich freue mich ſchon recht ſehr auf die Parallel-novelle.
Mein Leben verſtreicht ziemlich nichtsſagend, mit langſam ſteigendem inneren Wohlbefinden. Von Strobl hoffe ich manches Schöne: Sonne und Mond am Waſſer, Segeln, kindlich-lärmende Vergnügungen, Richard, auch Schwarzkopf; nur Sie gar nicht?
Ich leſe mit lebhafteſtem Intereſſe die »Hauptſtrömungen« von Brandes, unendlich vieles aus der 1ten Hälfte des Säculums besitzt im zweiten ein Gegenbild, manches eine Carricatur; namentlich ſehe ich mit halb ſchauerndem Staunen, *wie völlig ſich die Producte der jüngſten Strömungen, in denen ich ja auch mit einer Fußſpitze ſtehe, der Romantik als Kugelſpiegelbild, halb verſchrumpft, halb aufgedunſen, gegenüberſtellen.
Ich habe mir ſehr viel abzugewöhnen, aber es ſind wenigſtens lauter echte Dichterkrankheiten.
Mir ſcheint, der Satz klingt maßlos arrogant; leſen Sie ihn nicht ſo.
Sie müſſen mir einen handgreiflichen Gefallen thuen: ich bin mit Bahr verabredet, Ende Juli nach München zu gehen; mir paſst 24. (eventuell 25.) bis 1. Auguſt; ſeit 14 Tagen beantwortet Bahr keinen Brief. Ich muſs aber doch endlich wiſſen, *woran ich bin. Alſo bitte, telefonieren Sie in meinem Namen an die Redaction der »Deutſchen Zeitung«, man möge entweder Bahr meine dringende Aufforderung endlich zukommen laſſen, oder ſeine Adreſſe angeben, oder wenn man das nicht darf, wenigſtens ſagen, wie lang er beiläufig incognito oder verſchollen bleiben dürfte. Und bitte, ſchreiben Sie mir ſofort den Beſcheid.
Herzlichst
Ihr
Loris.
Warum antwortet Salten nicht?
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