Karl Kraus an Arthur Schnitzler, 4. 3. 1893

Herrn
Dr. Arthur Schnitzler
Abbazia / (Curort)

Berlin, 4/3 93.

Lieber kleiner Doctor!

Ich dank Ihnen sehr für Ihr liebes Schreiben. Mitte der nächsten Woche bin ich wieder in Wien (über Leipzig u Prag).
Ich vergaß damals Loris zu grüßen. Bitte, tragen Sie das nach, wenn Sie ihm schreiben. Duße vor der Wolter? Jemine! Wengraf verriss sie, Bahr hob sie in alle Himmel – beides spricht gegen sie. Aber Ihre Worte machen mich stutzen. »Wollen mal sehen, was sich machen lässt« Ich bin gewiss der Letzte, der der Frau nicht ihr Recht widerfahren lässt. Leben Sie recht wohl, ertrinken Sie mir nicht u seien Sie mir herzlichst gegrüßt Ihr
KarlKraus
Busse dankt u. grüßt herzlichst.

    Duße] Warum der Austausch über die Schauspielerin zu diesem Zeitpunkt stattfindet, ist unklar. Schnitzler hatte Eleonora Duse bereits zehn Monate zuvor gesehen: »17.5. Theaterausstellung? Sardou: Fernande. (Duse).« (Theaterbesuche, Cambridge University Library, Schnitzler, A 179a; nicht im Tagebuch). Zwei Tage später sah er sie noch in Ibsens Nora. In Berlin hingegen trat sie im Dezember 1892 zum ersten Mal auf, ein zweites Gastspiel fand ein Jahr später statt.

    Wengraf verriss sie] unklar, möglicherweise keine publizierte Aussage

    Bahr hob sie in alle Himmel] Bahr rezensierte die Wiener Gastspiele nicht. Es dürfte sich also um eine Anspielung auf das Feuilleton Eleonora Duse vom 9. 5. 1891 (Frankfurter Zeitung, Jg. 35, Nr. 129, 1. Morgenblatt, S. 1–2) oder auf den Abdruck in der Russischen Reise (S. 116–125) handeln, womit die deutschsprachige Duse-Rezeption eingeleitet wurde.

    ertrinken Sie mir nicht] Schnitzler urlaubte vom 1. bis zum 11. 3. an der Adria.

    Busse dankt u. grüßt herzlichst.] in der oberen rechten Ecke