Verehrter Freund, eine Karte, die ich eben von
Paul Goldmann beko
mme, eri
nnert mich, wie üblich es ist, Briefe zu beantworten, und wie ich Ihnen schon längst hätte schreiben sollen, ja, wie ich Ihnen sogar hätte schreiben wollen, we
nn mein Gehirn nicht die ganze letzte Zeit über todte Stellen hätte hinwegko
mmen müssen. In zweierlei Perioden bietet einem das Leben was, in der der Anfänge, wo tausenderlei über einen ko
mmt, und man jeden Tag ein neues Blatt herzunehmen hat und nur drauflos zu begi
nnen. Da
nn die andre Periode, wo man das Bedürfnis des Abschließens hat – wo man die alten Blätter ni
mmt und einem alle möglichen Worte, Punkte u Gedankenstriche einfallen, – die man verg
aß . Die erste Periode: wo man sich an sich berauscht, die zweite: wo man sich an sich beruhigt. Ich bin jetzt in keiner von beiden, also arm und blöd. Nervös, sehr.
Beer-Hofmann ist auch schon weg, das wissen Sie ja. – In die
Kugel ko
mm ich selten, es waren schon ein paar
Ausschusssitzungen; Specialcomités sind gewählt worden; ich sitze im Theatercomité zusammen mit
Pernerstorfer,
Wengraf,
Osten,
Kafka,
Kulka. – Bis jetzt ist noch nicht viel gescheidtes herausgeko
mmen. – Mit
Salten bin ich viel zusa
mmen, auch auf dem »Land« des Abends.
Burckhard hat mir den
Alkandi mit einigen schmeichelhaften Worten zurückgesandt – ich hab’ ihn angeno
mmen. Mein
Stück ruht und ist mir zuwider. – Wie geht es Ihrem
himmelblauen Einakter? Und wollen Sie mir nichts von Ihren Sachen schicken? Sie würden mir eine wirkliche Freude machen, seien Sie erster oder siebenter Grad! – Gelesen wird mancherlei
Burckhardt,
Cultur der Renaissance,
Goethe,
Annalen,
Lessings
Drama Entwürfe,
Jonas Lie etc. Besonders
Nietz’sche – zuletzt hat mich sein Schlusscapitel und das
Schlußgedicht zu
Jenseits von Gut u Böse ergriffen. – Eri
nnern Sie sich?
Nietz’sche Sentimentalität! – Weinender Marmor! Stellen, die sogar auf Weiber wirken, ohne daß man den Stellen oder den Weibern bös werden müßte. – Werden Sie mir bald wieder schreiben? Arbeiten Sie viel? Erleben Sie was? Spielen Sie aber lieber lawn-tennis, statt sich zu verlieben, oder nehmen Sie wenigstens, we
nn beides über Sie geko
mmen, das erstere ernster.
Herzlichen Gruss. Den Ihrigen meine Empfehlungen. Ist
Schwarzkopf schon bei Ihnen? Ich sah ihn schon Wochen lang nicht. –
Also nochmals, viele Grüße
Ihr
Arthur Sch