Fusch. 16. Juli.mein lieber Arthur!Über das Stück hab ich öfter
nachgedacht, bin aber nicht über gewisse allgemeine Gedanken hinausgekommen. Ich
fahre morgen nach Salzburg und bin dort 2, 3 Tage
mit Richard zusaen. Dann geht er nach Dänemark, ich nach Aussee. Vielleicht finden wir zusammen etwas
Gescheites.
Der 2teAct muss alles wirklich
Dramatische enthalten, alle Wucht, alles Pathos, alle Grausamkeit und alles innere Versöhnung, dannsind der erste und dritte
Act, die den Vorgang nur von außen zeigen und an denensich ohne Verderbnis nicht
viel verinnerlichen lässt, gerechtfertigt und gerettet, wie japanische Laternen wenn man hinter ihren Bildern ein Licht
anzündet. Es liegt nun im Wesen
ihrer Composition, dass Ihnen gerade Wucht und das Schicksalmäßige, Unabwendbareschwer wird: (besonders wenn nicht eine weibliche Figur das ganze trägt.) Deswegen
muss aber gerade hier die Frauenrolle ausgenützt werden (jetzt läuftsie nutzlos, jastörend dazwischen): der gehaltene Ton, den der Held allen Männern gegenüber hat,
kann dem Mädchen gegenüberso völlig wegfallen wie etwa in einem Monolog: es liegtsogar eine natürliche tiefe Coquetterie darin, vor der geliebten Frau die Schwere
und grausame Sonderbarkeit einer Situation einzusehen und einzugestehen. (Das
entgegengesetzte, viel dürftigere Motiv war das Verheimlichen in der »Liebelei«)
Ansich, von außen gesehen (so wie der erste und dritte Act es bringt)sind ja alle Tragödien des Lebens nur unangenehme
Begebenheiten, die mit einem Unglücksfall enden. Die Tragik muß man (und darf man!!) in die Auffassung legen, welche die
Hauptperson von der durchsie angestifteten innerlich unrettbaren PersonSituation plötzlich zu haben anfängt, dagegen ankämpft, undschließlich darein
versinkt wie ein Ertrinkender. Nun haben Sie einmal (beim Erfinden des Stoffes) die durch das
verweigerte Duell für eine bestimmte Art Menschensich ergebende Situation als
tragisch, d. h. als einen tiefen unlösbaren inneren Widerspruch insich tragend
erkannt: suchen Sie diese
Stimmung wiederherzustellen. Sie war wahrscheinlich rhetorisch. Individualisieren Sie
diese Rhetorik und legen Siesie der Hauptperson in den Mund, verstärken und
verdichten Siesie (reine Rhetorik ist immer dünn) durch retardierende, menschliche,
zuständliche Motive (wie Sie in der Liebelei ein
fast-nichts von Vorgang aufgeschwemmt haben und ihm Dichte gegeben) und fürchten Siesich nicht vor
Ihrem eigenen Feuer. Es wird nie nackt brennen, da immer die bunten Schirme des
ersten und letzten Actes davorstehen werden. Die Schwäche und Zaghaftigkeit im Ton
des 2ten Actes (vergleichen Sie mit Shakespeare!) ist nur entstanden, weil der Held und das Mädelso furchtbar wenig
individualisiertsind: in einem papierdünnen Herd kann man dann freilich kein großes
Feuer anmachen. Verstärken (d. h. determinieren) Sie das Verhältnis zu dem Mädel,so wird
es nicht nursichselbst tragensondern die ganzen tragischen Eingeständnisse und
Irrläufe des Helden werden darauf ruhen können, und ganz ohne Künstelei. Nur müssen
Siesich hüten, das Verhältnis übermäßig zu
individualisieren;so fern von der Anatol-manier
als möglich.
Womöglichso behandelt und gesehen, wie Sie gewöhnlich Nebenfigurensehen: mit einerscheinbar geringeren Liebe, die aber zuträglicher ist und mehr Leben giebt.Nächstens etwas anderes.
IhrHugo.